„Ich verstehe nicht, warum meinen Kollegen die Patientenbindung so wichtig ist. Die bestellen einen Patienten gleich 10-mal zur Massage. Mir ist es immer wichtig, dass der Patient spätestens beim dritten oder vierten Mal geheilt ist.“ Diese Aussage fiel in einem meiner Marketing-Seminare.
Ich kann die Behandlerin gut verstehen. Sie hat eine wirkungsvolle Heilmethode gelernt und ist stolz auf schnelle Ergebnisse.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das natürlich kontraproduktiv. Ein Unternehmer weiß, dass die höchsten Kosten in der Kundengewinnung stecken. Deshalb versuchen kluge Unternehmer, ihre Kunden immer wieder neu zum Kaufen zu bewegen.
Ist das in der Gesundheitsbranche verwerflich?
Es kommt darauf an!
Natürlich fragt man sich, ob es gerechtfertigt ist, Menschen Behandlungen zu verkaufen, die sie nicht wirklich brauchen.
Andererseits gibt es Patienten, die wünschen sich eine regelmäßige Betreuung durch ihren Heilpraktiker.
Ich selbst war sehr enttäuscht, als mein neu gefundener Heilpraktiker nach der zweiten Behandlung sagte, ich könne in drei Monaten wiederkommen. In drei Monaten kann so viel passieren! Ich habe noch nie ein homöopathisches Mittel so lange eingenommen, weil die so schnell bei mir wirken und sich immer wieder eine neue Zwiebelschale präsentiert! Ich fühlte mich von ihm nicht ernst genommen bzw. alleingelassen.
(Was hat mein Unterbewusstsein gemacht? Es hat schnell eine neue, sehr schmerzhafte Symptomatik entwickelt, damit ich einen Grund hatte, früher wieder zu kommen. Ich bin fest überzeugt, das wäre mir erspart geblieben, wenn ich wieder eher zu ihm in die Behandlung gedurft hätte…)
Damit bin ich vielleicht keine typische Patientin. Aber ich möchte Sie bitten, bei jedem Patienten reinzuspüren, ob er das Bedürfnis hat, sich unter Ihrer Betreuung immer weiter zu entwickeln!
Halten wir als erstes fest:
Selbst, wenn Sie einem Patienten schnell helfen können, ist das kein Grund ihn dann aus dem Fokus zu verlieren.
Fordern Sie ihn mindestens auf, dass er sich meldet, wenn er wieder ein (gleiches oder anderes) Problem hat. Sonst sucht er sich für das nächste Problem einen anderen Therapeuten.
Von meiner Homöopathie-Lehrerin habe ich gelernt: „Nie ruft der Homöopath den Patienten an. Es muss sich immer der Patient beim Therapeuten melden.“
Ich weiß, dass auch andere Therapeuten solche Sätze gelernt haben.
Ich fordere jeden, der das behauptet, heraus:
Warum, bitte schön, soll es so schlimm sein, den Patienten anzurufen?
Ich hätte mich gefreut, wenn meine Homöopathin mich ab und zu mal angerufen hätte und sich nach meinem Wohlergehen erkundigt hätte. Das hätte mir gezeigt, dass ihr etwas an mir liegt. Ich als Patientin hätte es nicht als „Patientenbindung“ eingeordnet, sondern ich hätte es als nette Geste empfunden.
Wenn Sie Ihre Patienten fragen: „Darf ich Sie in ein paar Wochen mal anrufen, falls ich zwischendrin nichts von Ihnen höre? Mir ist es ganz wichtig ein Feedback für meine Arbeit zu bekommen, was sich dadurch für Sie auflösen durfte.“, können Sie sich damit von dem Patienten die Erlaubnis holen, ihn zu kontaktieren.
Vielleicht passiert es, dass er sagt, Ach ja, ich hatte ja früher Kopfschmerzen. Das habe ich ganz vergessen! Dann haben Sie ein Feedback für Ihre Arbeit und er einen Anlass, Sie weiterzuempfehlen.
Wenn er sagt, es ist noch nicht weg, können Sie ihm anbieten, sich nochmal einen Termin geben zu lassen. (Natürlich ohne Hintergedanken. Es ist seine freie Entscheidung.)
Möglicherweise sagt er auch, meine Bauchschmerzen sind weg, aber jetzt habe ich einen Ausschlag am Hals. (Als Homöopath weiß man, das ist ein gutes Zeichen, denn Heilung geschieht von innen nach außen.) Das wäre ein Grund ihm anzubieten, dass Sie auch diesen Zustand behandeln.
Und seien wir mal ehrlich – egal wie gut Sie als Therapeut sind: Sie werden nie erreichen, dass ein Patient so gesund wird, dass er nie wieder eine Behandlung braucht!
Deshalb mein zweiter Tipp:
Halten Sie Kontakt auch zu Ihren ehemaligen Patienten. Signalisieren Sie ihnen, dass Sie an ihrem Wohlergehen interessiert sind. Durch diese Patientenbindung steigt die Chance, dass die Leute wiederkommen.
Sie können z.B. auch Geburtstagskarten verschicken und einen 10%-Gutschein für die nächste Behandlung beilegen. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Patienten das positiv empfinden und Ihnen keinen Vorwurf machen, Sie wollten „mehr verkaufen“.
Der erfahrene Land-Heilpraktiker Axel Tausch sagt: „Fast alle meine Patienten bekommen einen neuen Termin, bevor sie gehen.“ (siehe Video bei Minute 36:30)
An seinem Habitus erkennen Sie, dass dieses Verhalten ganz selbstverständlich wirken kann, wenn der Therapeut davon überzeugt ist, dass es für seine Patienten gut ist, wiederzukommen! Er zweifelt nicht an seinen Fähigkeiten und wertschätzt die Gesundheit seiner Patienten so sehr, dass er es für normal hält, dass sie dafür Geld ausgeben.
(Wenn Sie damit Schwierigkeiten haben, dann lesen Sie noch einmal Was ist der richtige Preis? oder schauen Sie sich meine Seite zur Auflösung hindernder Glaubenssätze an.)
Deshalb mein dritter und letzter Tipp:
Geben Sie Ihrem Patienten das Gefühl, dass Sie alles dafür tun werden, dass es ihm besser und besser geht. Dass er umso mehr in seiner Gesundheit profitieren kann, je konsequenter er sich darauf einlässt, einen Weg mit Ihnen gemeinsam zu gehen.
Die Menschen geben regelmäßig Geld für die Autowäsche, den Friseur oder die Kosmetikerin aus. Ganz zu schweigen von Tabak und Fast Food.
Sie tun doch ein gutes Werk, wenn Sie ihnen helfen ihre Prioritäten neu zu setzen und mehr in ihre Gesundheit zu investieren!
Ich weiß, dass ich heute ein großes Tabu angekratzt habe. Deshalb freue ich mich auf Ihre Kommentare, denn durch die Diskussion kann jeder lernen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrer Praxis und viele treue Patienten!
Herzliche Grüße
Gabriele Ermen
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Nächste Woche geht es dann um die Frage:
Ich trau mich nicht, mich sichtbar zu machen.
Das Thema von letzter Woche lautete: